Netzneutralität: Brauchen Branche und Kunden politische Lösungen? Hochkarätig besetztes VATM-Strategie-Panel auf der ANGA COM

Netzneutralität: Brauchen Branche und Kunden politische Lösungen? Hochkarätig besetztes VATM-Strategie-Panel auf der ANGA COM

12.06.2015

Köln, 12. Juni 2015. Mehr Differenzierung und mehr Sachlichkeit bei der Debatte um Netzneutralität forderten die Teilnehmer des VATM-Strategie-Panels „Netzneutralität – aber richtig!“ auf der gestern zu Ende gegangenen ANGA COM. Erneut hatte der VATM als Koopera-tionspartner dieser europaweit führenden Messe für Kabel, Breitband und Satellit im Rahmen des Kongressprogramms ein aktuelles Thema aufgegriffen, das Branche und Politik gleichermaßen bewegt. Dienstequalität, Diskriminierung und die politische Positionierungen in Berlin und Brüssel standen daher im Mittelpunkt der lebhaften anderthalbstündigen Diskussion.

Für die Branche diskutierten Dr. Guido Brinkel (Head of Public Affairs, 1&1 Internet AG), Erzsébet Fitori (Director, ECTA European Competitive Telecommunications Association), Dr. Andrea Huber, LL.M., (Geschäftsführerin, ANGA), Theo Weirich (Geschäftsführer, wilhelm.tel GmbH) und David Zimmer (Gesellschafter, inexio KGaA) unter Moderation von VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner.

Dass gerade von politischer Seite die Fragen rund um die Thematik Netzneutralität falsch angegangen würden, unterschiedliche „Baustellen“ vermischt und wichtige Bereiche gar ganz ausgeblendet würden, darin bestand Einigkeit auf dem Panel. So sei das Thema Drosselung kein eigentliches Problem der Netzneutralität, analysierte inexio-Gesellschafter und VATM-Vizepräsident David Zimmer, obwohl es stets in diesem Zusammenhang diskutiert würde. Auch sei die Diskussion um diese Fragen längst nicht mehr so bedeutungsvoll wie vor einigen Jahren, ergänzte Theo Weirich, Geschäftsführer von wilhelm.tel. Quality of Service sei heute längst gegeben, unstrittig sei, dass z. B. Sprachdienste priorisiert werden müssten.

ANGA-Geschäftsführerin Dr. Andrea Huber warnte mit Blick auf die wachsenden Datenmengen in den Netzen davor, dass die aktuelle politische Diskussion die Entwicklung notwendiger, neuer Geschäftsmodelle verhindere. So gebe es durchaus den Bedarf und die Chance für kleinere Diensteanbieter, sich als Konkurrenz zu den großen Over-The-Top-Playern (OTTs) zu etablieren. Das müsse auch künftig möglich sein. Gleichzeitig mahnte Huber zu einer „Demystifizierung“ der OTTs und zu einer sachlichen Analyse, an welchen Stellen des Marktes es tatsächlich zu Wettbewerbsverzerrungen komme.

Deutliche Kritik übte Dr. Guido Brinkel an den geplanten Regelungen im Telecom-Single-Market-Paket (TSM) der EU. Hier würde eine politische Abstraktheit erreicht, die weder für die Branche noch für die Kunden hilfreich sei. „Wenn es um die ganz konkreten Wahlmög-lichkeiten der Kunden in der Zukunft geht, würde ich meine Hoffnung nicht auf das TSM-Paket setzen. Diese Frage wird sich beim EU-Review und der Frage entscheiden, ob wir über Open Access auch Wettbewerb auf den Netzen sichern. Das ist für den Kunden wichtiger als alle Formelkompromisse zur Netzneutralität.“

ECTA-Direktorin Erzsébet Fitori brachte den Kern der Debatte auf den Punkt: Eigentlich gebe es kein Netzneutralitätsproblem, sondern ein Netzmonopolproblem. Bei monopolartigen Märkten könne sich eine Diskriminierung von Diensten lohnen, in einem wettbewerbsgepräg-tem Markt allerdings habe der Kunde stets die Möglichkeit, zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Diskriminierung von Diensten mache dort keinen Sinn. Der wichtigste Faktor für ein offenes Internet sei daher die Regulierung, die den Dienste- und Infrastrukturwettbewerb erst möglich mache. Mit großer Sorge beobachten die Branchenvertreter in diesem Zusam-menhang auch die Deregulierungsbestrebungen im Rahmen des anstehenden EU-Reviews. Von einer ernstzunehmenden Remonopolisierungsgefahr in Europa sprach Fitori.

Aus Sicht des EU-Wettbewerberverbandes bewege man sich auf US-amerikanische Marktstrukturen zu, so die ECTA-Direktorin. Tatsächlich, so ergänzte VATM-Geschäftsführer Grützner, erstarke in Europa die Idee, dass man sich von der Regulierung verabschieden könne, wenn sich denn ein zweites Netz im Markt etabliert habe. „Aber ein Duopol ist eben kein Wettbewerb, der den Abbau der Zugangsregulierung rechtfertigen kann“, so Grützner.

Auch der aktuelle Breitbandausbau mit Vectoring behindere den Wettbewerb und käme nur der Telekom zugute, ergänzte Theo Weirich. Brüssel müsse begreifen, dass die Digitalisierung Europas gerade nicht von den Ex-Monopolisten vorangetrieben werde.

Mehr Vertrauen in die Marktkraft der Wettbewerber forderte schließlich David Zimmer von den politisch Verantwortlichen in Berlin und Brüssel. „Wir brauchen keine politischen oder regulatorischen Eingriffe, wo es – wie beim Thema Netzneutralität – keine Probleme gibt. Wir Wettbewerber brauchen vielmehr Freiheit für Innovationen und für Flexibilität auf dem Markt. Politik muss Entwicklungen abwarten können, ohne vorauseilend in einen Markt einzugreifend. Nur dann kann sich ein Markt ökonomisch sinnvoll entfalten.“

Speaker’s Corner: Ist Deutschland fit für die Digitalisierung?

Die zentralen Grundlagen der künftigen Gigabit-Gesellschaft in Deutschland hatte am Donnerstag Dr. Frederic Ufer, Leiter Recht und Regulierung des VATM, in der Speaker‘s Corner der ANGA COM thematisiert. Dabei hob er die Bedeutung einer leistungsfähigen Netz-infrastruktur hervor, die letztlich entscheidend für die digitale Transformation aller Abläufe und Prozesse sei. Kritisch ging Dr. Ufer dabei auf den aktuellen europäischen Paradigmenwechsel bei der TK-Regulierung ein, die er dezidiert hinterfragte und widerlegte. Den vollständigen Vortrag finden Sie HIER.

Grützner: Erfolgreiche Kooperation mit ANGA COM wird fortgesetzt

Ein positives Fazit zieht VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner nach der Kongressmesse für Breitband, Kabel & Satellit. „Die ANGA COM hat sich als wichtiger Treffpunkt für Breitbandanbieter und -interessenten fest etabliert. Bereits zum dritten Mal war der VATM daher als Kooperationspartner auf der Messe vertreten und wird diese erfolgreiche Zusammenarbeit auch im nächsten Jahr fortsetzen.“