03 Mai Diskussion zu Vectoring dringend versachlichen
Alle Fakten sprechen gegen das Ausbaumonopol
Köln/Berlin, 03.05.2016. Zu einer Versachlichung der Vectoringdiskussion rät VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner dringend angesichts der kurz bevorstehenden Entscheidung der EU-Kommission zum Notifizierungentwurf. Leider werde gerade in diesen Tagen immer wieder versucht, eine saubere Faktenanalyse zu verhindern und vielmehr an einem Ausbauvorhaben mit Hilfe von Vectoringtechnologie festzuhalten, das einem harten Faktencheck nicht standhalten könne.
Verdrängt werde, dass die zentrale politische Vorgabe der Bundesregierung – einen flächendeckenden Ausbau sicherzustellen – mit einem Monopol-Vectoringausbau weit verfehlt werde, ebenso wie die Vorgabe des Beirates der Bundesnetzagentur (BNetzA) wenigstens 90 % zu erreichen. Die Versorgung liegt nach Berechnungen der BNetzA im Schnitt gerade mal bei 85 % – und dies nur dank der Entwicklung in den Großstädten. Im ländlichen Bereich – und gerade hier ist der Ausbau wirtschaftlich schwierig – sieht die Situation noch deutlich dramatischer aus: im Versorgungsbereich eines der größten VATM-Mitgliedsunternehmen würde mit dem nun von der BNetzA akzeptierten Angebot lediglich eine Abdeckung von 75 % erreicht. „In einigen Teilen Deutschlands wird der Versorgungsgrad noch schlechter sein“, warnt Grützner.
Allein in Mecklenburg-Vorpommern müssten z. B. für eine vollständige 50 Mbit/s-Versorgung zusätzlich 20.476 Kabelverzweiger neu aufgebaut werden, zahlreiche davon auch im Nahbereich, den zukünftig allein die Telekom mit VDSL und Vectoring erschließen soll. Das Bundeskartellamt hatte ausdrücklich vor einer solchen Monopolvergabe gewarnt und dem Weg über Fördermittel den klaren Vorzug gegeben. Dass nun diese Gebiete einerseits nicht gefördert werden können und andererseits das Ausbauangebot gerade keine vollständige Ausbauverpflichtung vorsieht, beunruhigt die Politik in Deutschland zunehmend – und nun auch Brüssel.
„Immer mehr Politiker verstehen, dass das Monopolangebot nicht das hält, was es versprechen sollte“, erläutert Grützner. „Es verhindert nicht nur die Erreichung der Ausbauziele der Bundesregierung, sondern darüber hinaus den schnellen Wandel zu Gigabitnetzen nach 2018. So rechtfertigt die Telekom einerseits ein längeres Festhalten am Kupfernetz damit, dass selbst in zehn Jahren die Nachfrage auch für die Wirtschaft erst bei 208 Mbit/s liegen werde. Andererseits bezeichnet sie in ihrem aktuellen Geschäftsbericht VDSL-Anschlüsse als Glasfaseranschlüsse, obwohl beim VDSL-Ausbau der Anschluss beim Kunden definitiv wie seit hundert Jahren per Kupferleitung erfolgt. Die Glasfaser endet nämlich schon am Kabelverzweiger.
Bei einem ehrlichen Umgang mit den Fakten müsse allen Politikern klar werden, dass allein der harte Infrastruktur- und Investitionswettbewerb – gekoppelt mit sinnvoller Förderung – gut ist für Bürger, Wirtschaft und Arbeitsplätze. Dass es dabei um die Interessen der Bürger und der deutschen Wirtschaft insgesamt geht, haben in den letzten Wochen 25 Verbände in ihrem Schreiben an EU-Kommissar Oettinger und fünf weitere Kommissare eindrucksvoll dokumentiert. „Wir brauchen jetzt Zeit, um die enormen Risiken eines Monopols in den Herzstücken unserer Kommunikationsnetze neu zu bewerten“, appelliert der VATM-Geschäftsführer. „Allen Verschleierungsversuchen muss dabei eine klare politische Absage erteilt werden. Sonst bekommt unser Land im sogenannten Nahbereich weniger Breitband als mit Hilfe von Fördermitteln möglich wäre. Gleichzeitig würde sich der Fördermittelbedarf außerhalb der Nahbereiche erhöhen, Steuergelder würden trotz schlechterer Versorgung geradezu zum Fenster hinausgeworfen und Deutschland würde international beim Glasfaserausbau immer weiter zurückfallen.“
Auch EU-Digital-Kommissar Oettinger weiß um die Sachzusammenhänge und hat angekündigt, nochmals im Vorfeld der Entscheidung mit den Keyplayern der Branche das Gespräch zu suchen. Die Wettbewerber setzen darauf, dass der Notifizierungentwurf in die sogenannte Phase 2 eintreten wird und damit Brüssel allen Beteiligten Zeit gibt, mindestens drei Monate gemeinsam – auch mit der Telekom – nach besseren Lösungen zu suchen.