06 Jul VATM-Präsident Witt: „Wir brauchen einen Masterplan“ – WIK stellt Studien zum Glasfaserausbau vor
Tele-Kompass Berlin-Mitte: „Breitbandstrategie der Bundesregierung: Bekommen Bürger und Mittelstand wirklich, was sie brauchen?“
WIK stellt Studien zum Glasfaserausbau vor
Berlin, 6. Juli 2016. „Wir sollten uns an einen Tisch setzen, die Diskussion über das `Ob´ der Gigabit-Gesellschaft beenden und uns dem `Wie´ zuwenden“, unterstrich VATM-Präsident Martin Witt zu Beginn des VATM-Tele-Kompass Berlin-Mitte. Auf dem Branchentreff des Verbandes stellte Dr. Iris Henseler-Unger, Direktorin des Wissenschaftlichen Instituts für Informations- und Kommunikationsdienste (WIK), zwei Gutachten vor. Sie belegen, dass der Bedarf nach Gigabit-Netzen besteht und erklären auch warum und wie Deutschland den Ausbau umsetzen kann. „Wir brauchen einen Masterplan“, so Witt.
Die Studien des WIK lassen keinen Zweifel. Laut Prognosen des Instituts benötigen 75 Prozent der Haushalte 2025 hochleistungsfähige Breitbandnetze mit 500 Mbit/s und mehr, 30 Prozent sogar Gigabit-Netze. „Bereits heute gibt es ein Nachfragesegment, dem die über VDSL und Vectoring angebotenen Bandbreiten und Qualitätsparameter nicht mehr ausreichen. Dieses Segment wird in den kommenden Jahren durch zunehmende Digitalisierung und Vernetzung signifikant wachsen“, sagte Dr. Henseler-Unger. Chancengleicher Wettbewerb sei ein wesentlicher Treiber für die Nachfrage nach hohen Bandbreiten, so die WIK-Geschäftsführerin. Eine weitgehende Re-Monopolisierung, wie bei Vectoring im Nahbereich des Hauptverteilers zu befürchten, sei für den FTTB/H-Ausbau äußerst kritisch. Das liege auch daran, dass sich Investitionen von Wettbewerbern durch Verringerung des adressierbaren Kundenpotenzials künftig schwerer amortisieren können, sagte Dr. Henseler-Unger.
Auch Christian Pegel, Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, das sehr engagiert beim Glasfaserausbau ist, warnte vor den negativen Folgen des geplanten Vectoring-II-Beschlusses und berichtete von den Verunsicherungen und Verzögerungen, die dieser im Land auslöse.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland müsse fit für die Avantgarde gemacht werden. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sei der Ausbau der Glasfaserinfrastruktur dringend geboten, so Dr. Henseler-Unger. Die ehemalige Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur betonte auch in der späteren Paneldiskussion, dass jetzt die Schritte festgelegt werden müssten, damit die Netze dann auch vorhanden sind, wenn Unternehmen und Bürger sie brauchen: „Wir müssen vom Ziel 2025 aus denken.“ Nationale Ausbaustrategien, Förderung und Regulierung sowie die notwendigen Zwischenschritte sollten so formuliert werden, dass hierdurch der erforderliche Ausbau von Gigabit-Netzen nicht Gefahr läuft, ausgebremst oder verteuert zu werden.
„Schon heute ist zu beobachten, dass die mangelnde Verfügbarkeit von Glasfaseranschlüssen – FTTB/H – für KMU einen Wettbewerbsnachteil darstellt, da die Potenziale der Digitalisierung mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette gar nicht oder nur unzureichend genutzt werden können“, lautet ein weiteres Ergebnis des WIK. „Wir müssen in Deutschland nicht nur Metropolen und große Gewerbegebiete aufrüsten, sondern in die Fläche gehen. Das brauchen wir nicht nur für Anwendungen wie automatisiertes Fahren oder Landwirtschaft 4.0, sondern auch für Heimarbeit, die medizinische Versorgung auf dem Land, bestmögliche Ausbildung und sichere Arbeitsplätze auch für die jungen Leute“, sagt VATM-Präsident Witt: „Wir gehen davon aus, dass wir bis 2030 eine weitgehende Flächendeckung hinbekommen und bis 2025 bereits 85 Prozent – zu deutlich geringeren Kosten als bisher vermutet.“ Auch das WIK geht in seiner Studie davon aus, dass zehn Milliarden Euro Förderung bei Gesamtkosten in Höhe von 45 Milliarden Euro ausreichen, wenn man bestehende und im Bau befindliche Gigabit-Netze miteinbezieht und Einsparpotenziale nutzt.
Auch die Frage der richtigen Förderung spielte beim Tele-Kompass eine wichtige Rolle. „Breitbandförderung sollte die Zukunftsfähigkeit von Infrastrukturprojekten in den Mittelpunkt stellen, um sicherzustellen, dass die öffentlichen Mittel in nachhaltige Gigabit-Netze fließen“, steht für Dr. Henseler-Unger fest. „Auf jeden Fall darf es nicht sein, dass die Straßenseite und die Lage in oder außerhalb eines Hauptverteiler-Nahbereichs – Stichwort Vectoring – darüber entscheidet, ob jemand 30 Mbit/s oder Gigabit-Bandbreiten erhält“, ergänzte später VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner.
Dr. Tobias Miethaner, Leiter der Abteilung „Digitale Gesellschaft“ im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, verwies in der Paneldiskussion darauf, dass die Mehrzahl der geförderten Anschlüsse auf FTTB/H entfiele. Außerdem habe das BMVI in Zusammenarbeit mit der Netzallianz eine Gigabit-Studie in Auftrag gegeben, „wo wir hin müssen“, und das DigiNetz-Gesetz verfasst. Stefan Schnorr, Leiter der Abteilung „Digital- und Innovationspolitik“ im Bundeswirtschaftsministerium, verwies auf die „Digitale Strategie 2025“ von Bundesminister Gabriel, mit der dieser zum Nachdenken anregen wolle. Schnorr ging davon aus, dass es eher unwahrscheinlich sei, dass vor den Bundestagswahlen 2017 ein neues Breitbandziel verabschiedet werde.
Lesen Sie hier das Management Summary der WIK-Studien unter dem Titel „FTTB/H-Netze für Deutschland: Relevanz, Treiber, Trends“. Außerdem steht es Ihnen wie die vollständigen WIK-Studien „Europäische und weltweite Trends beim Aufbau von FTTB/H-Netzen – Bedeutung für Deutschland“ und „Treiber für den Ausbau hochbitratiger Infrastrukturen“ unter www.vatm.de zur Verfügung. Auch die Präsentation von Dr. Iris Henseler-Unger ist dort abrufbar.
Der VATM hat Handlungsempfehlungen erarbeitet, wie der Weg in die Gigabit-Gesellschaft geebnet werden kann. Diese finden Sie ebenfalls beigefügt und unter www.vatm.de.
Der VATM-Tele-Kompass fand mit freundlicher Unterstützung von 1&1 statt