17 Okt Vectoring II: Nagelprobe für die EU-Kommission
Entscheidungsentwurf der Bundesnetzagentur ignoriert weitgehend Vorgaben aus Brüssel zu wettbewerbserhaltenden Vorleistungsprodukten
Köln, 17.10.2016. Vectoring kommt aus den Diskussionen nicht heraus. „Die neuen Entscheidungsentwürfe der Bundesnetzagentur zu den Vectoring-Vorleistungsprodukten, die als Ersatz für den Verlust der Entbündelung der Teilnehmeranschlussleitung den Unternehmen in den nächsten Jahren dienen sollen, bringen nicht die Qualität, die die Unternehmen und die Bürger brauchen. Und die Preise sind so hoch, dass sie im Markt nicht abgebildet werden können“, sagt VATM-Präsident Martin Witt.
Mit Ach und Krach hatte die EU-Kommission Mitte Juli den zweiten Entscheidungsentwurf des deutschen Regulierers zu Vectoring im Nahbereich der Hauptverteiler (HVt) mit einem weitgehenden Monopol für die Telekom passieren lassen. Nachdem der Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA) versprochen hatte, die Bedenken der EU-Kommission und deren explizite Auflagen zu berücksichtigen, gab es unter dieser Bedingung grünes Licht.
Der nun von der BNetzA vorgelegte Entwurf ignoriert die zentralen wettbewerbssichernden Vorgaben der Kommission nicht nur weitestgehend. Die Erklärung, man sehe sich aufgrund laufender oder abgeschlossener älterer Regulierungsentscheidungen gebunden und könne die versprochenen Änderungen nicht vornehmen, ist aus Sicht des VATM ein Eklat. „Nicht nur, dass diese Bewertung bei der Zusage an Brüssel bekannt gewesen ist. Viel wichtiger erscheint, dass die BNetzA sich nicht mehr in der Lage sieht, auf massivste Marktveränderungen – wie den Wegfall der TAL-Entbündelung – und sich daraus offensichtlich neu ergebende Marktveränderungen mit einer neuen, angepassten investitions- und wettbewerbsfreundlichen Regulierung zu reagieren“, kritisiert Witt. „Die deutsche Regulierung ist rückwärtsgerichtet und verliert zunehmend die langfristigen Ziele des erforderlichen Umbaus zur Gigabit-Gesellschaft aus den Augen. Sie konterkariert auch die vom VATM nachdrücklich unterstützten Bemühungen der EU-Kommission, einen beschleunigten Netzausbau mit echten FTTB/H-Anschlüssen statt mittels Vectoring herbeizuführen“, so der VATM-Präsident.
Allein schon die vorgesehene Entgelthöhe mit Aufschlägen von 80 Prozent auf die Kosten des aktuell genutzten TAL-Vorleistungsproduktes verfehlen die Wettbewerbsvorgaben der EU-Kommission bei weitem. Dabei liegt der Vorleistungspreis signifikant über den von der BNetzA selbst hergeleiteten Produktpreisen inklusive einer bereits vorgesehenen angemessenen Gewinnmarge. Anbieter, die bisher die TAL zu einem Einkaufspreis von 10,02 Euro pro Leitung pro Monat beziehen konnten, sollen nun bis zu 18,56 Euro zahlen, obwohl sie keinerlei entsprechende Einsparungen realisieren können. Für die Unternehmen, die Bitstrom als reines Ersatzprodukt für die bislang genutzte TAL verwenden müssen, sind solche Preissteigerungen im Markt nicht kompensierbar.
„Wenn die EU-Kommission – wie von ihr versprochen – auf alle Investoren und auf Wettbewerb setzen will, um ihre neue Strategie zum europäischen Glasfaserausbau erfolgreich voran zu treiben, muss sie jetzt handeln“, unterstreicht Witt. „Aufgrund der Tragweite und grundsätzlichen Bedeutung eines weitreichenden Vectoring-Monopols, muss die EU-Kommission darauf bestehen, dass die von ihr eingeforderten, elementar wettbewerbsschützenden Regeln durchgesetzt werden“, fordert er. „Das Ergebnis wäre ansonsten für den Investitionswettbewerb ebenso wie für den Dienstewettbewerb verheerend.“
Die Kompetenz und die weitsichtigen Ausbauziele der EU-Kommission müssen unter allen Umständen Berücksichtigung bei den nationalen Entscheidungen finden, wenn die gemeinsamen europaweiten Ziele in Zukunft erreicht werden sollen. Geschehe dies nicht, entfalle die Grundlage für die Genehmigung eines in Europa bislang einzigartigen Technologie-Monopols, so Witt. Vectoring würde sonst zur Verhinderung von Investitionswettbewerb eingesetzt. „Der Wettbewerb um Innovation, Qualität und hochspezialisierte Dienste für die Wirtschaft würde damit ebenso Schaden nehmen wie eine werthaltige Angebotsvielfalt für die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher“, warnt der VATM-Präsident.