09 Okt VATM und DIALOG CONSULT stellen Studie zum deutschen Telekommunikationsmarkt 2019 vor
- 19 Millionen gigabitfähige Anschlüsse in Deutschland verfügbar – 92 Prozent kommen von den Wettbewerbern
- Zahl der FTTB/H-Anschlüsse steigt um 20 Prozent auf 4,4 Millionen
- Unternehmen investieren mit 9,4 Milliarden Euro so viel wie seit 18 Jahren nicht mehr – 51 Prozent kommen von den Wettbewerbern
- Neue Rekorde: Deutsche erzeugen 57 Milliarden Gigabyte im Festnetz – Im Mobilfunk nutzt der Kunde durchschnittlich 2,5 Gigabyte Daten pro Monat
- Deutschland telefoniert so viel wie nie zuvor mit dem Handy
- Branche setzt 58,4 Milliarden Euro um
- VATM: Politik muss Worten endlich Taten folgen lassen
Köln, 9. Oktober 2019. Es sind gute Nachrichten: Bei den verfügbaren gigabitfähigen Anschlüssen in Deutschland geht es deutlich voran. Ihre Zahl steigt im Vergleich zum Vorjahr um 73 Prozent auf 19 Millionen (Abb. 13). Dabei stammen neun von zehn Anschlüssen von den alternativen Anbietern. Die Zahl der „echten“ Glasfaseranschlüsse – bis ins Gebäude/bis in die Wohnung (FTTB/FTTH) – wächst um ein Fünftel auf 4,4 Millionen (Abb. 10). Rund ein Drittel davon wird von Kunden genutzt. Damit steigt die Zahl der gebuchten FTTB/H-Anschlüsse seit Ende 2018 um 36 Prozent. Die Zahl der gigabitfähigen Anschlüssen in Kabel-HFC-Netzen (DOCSIS 3.1) verdoppelt sich fast von 2018 bis Ende des Jahres von 7,4 auf 14,7 Millionen. Die Telekommunikationsunternehmen in Deutschland werden in diesem Jahr so viel investieren wie seit 2001[1] nicht mehr: 9,4 Milliarden Euro (Abb. 6). 51 Prozent davon stemmen die Wettbewerber der Deutschen Telekom. Das sind einige zentrale Ergebnisse der 21. gemeinsamen TK-Marktstudie, die DIALOG CONSULT und VATM heute in Köln vorgestellt haben.
„Die Investitionen im TK-Markt nehmen durch den beschleunigten Bau und die Modernisierung hochleistungsfähiger Festnetzanschlüsse sowie die Erweiterung bzw. Einführung von Mobilfunkgenerationen der 4. und 5. Generation deutlich zu“, sagte Studienautor Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, wissenschaftlicher Beirat der Unternehmensberatung DIALOG CONSULT und Inhaber des Lehrstuhls für TK-Wirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Dennoch gibt es aus Sicht des VATM beim Gigabit-Ausbau noch viele Hemmnisse und Hürden, die den Ausbau verlangsamen und verteuern. Es herrsche dringend politischer Handlungsbedarf, betonte Verbands-Präsident Martin Witt im Anschluss an die Vorstellung der Studie.
Der Erlös der Telekommunikationsanbieter wird in diesem Jahr – getrieben durch den Mobilfunk – im Vergleich zu 2018 um 0,5 Milliarden Euro etwas zulegen. Betrug der Gesamtumsatz mit TK-Diensten in Deutschland im vergangenen Jahr 57,9 Milliarden Euro, werden es 2019 voraussichtlich 58,4 Milliarden Euro sein (Abb. 1-4). Dabei legt der Kabelmarkt um 0,2 auf 6 Milliarden Euro zu, die Telekom insgesamt um die gleiche Summe auf 21,9 Milliarden Euro und die TK-Wettbewerber um 0,1 Milliarde auf 30,5 Milliarden Euro. Im Mobilfunkmarkt entfallen 17,4 Milliarden auf die Wettbewerber und 8,2 Milliarden Euro auf die Telekom.
Im Festnetzmarkt werden die Unternehmen wie im Vorjahr 32,8 Milliarden Euro umsetzen – 13,7 Milliarden Euro davon entfallen wie 2018 auf die Telekom, die TK-Wettbewerber (ohne Kabelnetze) verbuchen dieses Jahr 13,1 Milliarden Euro (2018: 13,3 Milliarden Euro).
Das Wachstum der Festnetz-Breitbandanschlüsse setzt sich unvermindert fort: Sie nimmt um rund 1,0 Million auf 35,2 Millionen zu (Abb. 7). Den größten Anteil an diesem Zuwachs haben die FTTB/H-Anschlüsse mit 400.000. Die Wettbewerber bauen drei Viertel der „echten“ Glasfaseranschlüsse in Deutschland. TK-Experte Prof. Gerpott: „Die Wettbewerbsunternehmen haben mehr echte Glasfaser-Kunden als die Telekom an einsatzfähigen FTTB/H-Anschlüssen aufweist.“ DSL-Anschlüsse auf Basis der angemieteten „letzten Meilen“ (Teilnehmeranschlussleitung/TAL) entwickeln sich im Breitbandmarkt allmählich zum Auslaufmodell (-800.000). Stark wuchs um 1 Million das Segment der Wettbewerber-Anschlüsse auf Basis von Telekom-Bitstrom-Vorleistungen. „Vor allem infolge der zweiten Vectoring-Entscheidung der Bundesnetzagentur müssen viele Wettbewerber verstärkt auf diese Vorleistungen zurückgreifen. Das hat die Abhängigkeit der alternativen Festnetzanbieter von Telekom Deutschland in den letzten Jahren deutlich erhöht“, erläutert Prof. Gerpott. „Rund 70 Prozent aller genutzten Anschlüsse werden weiterhin physikalisch auf dem Netz des Ex-Monopolisten bereitgestellt.“
Die Kunden in Deutschland wollen bei ihren Anschlüssen immer mehr Geschwindigkeit. Der Anteil der nachgefragten Festnetzanschlüsse mit mindestens 50 Mbit/s Downstream-Bandbreite wird 2019 auf mehr als 40 Prozent zulegen (Abb. 15) – rund ein Viertel mehr als noch im Vorjahr. Bereits 1,2 Millionen Kunden nutzen sehr schnelle Bandbreiten von mehr als 250 Mbit/s. Der Datenhunger in Deutschland nimmt weiter rasant zu: Im Festnetz werden in diesem Jahr insgesamt 57 Milliarden Gigabyte (GB) verschickt oder heruntergeladen (Abb. 16) – das bedeutet eine Steigerung um 30 Prozent im Vergleich zu 2018. Das durchschnittliche Datenvolumen pro Anschluss und Monat beträgt 137,1 Gigabyte. Im Mobilfunk übertragen die Nutzer 2019 insgesamt rund 4,2 Milliarden GB – das bedeutet eine Steigerung von 62,2 Prozent (Abb. 20). Pro Monat verbraucht der User durchschnittlich 2,5 GB.
Beim Telefonieren setzt sich der seit 2014 bestehende Trend weiter fort: Es wird weniger gesprochen (Abb. 5). In diesem Jahr sind es 873 Millionen Minuten täglich (-15 Millionen Minuten pro Tag). Im Festnetz sinkt die Zahl der Gesprächsminuten von 293 auf 263 Millionen pro Tag, im Mobilfunknetz steigt sich hingegen um 15 Millionen auf 345 Millionen täglich. „Während das Sprachvolumen aus Festnetzen seit 2002 deutlich rückläufig ist und das von OTT-Anbietern 2019 bei 265 Millionen Minuten täglich im Vergleich zum Vorjahr stagniert, können die Mobilfunkanbieter mit weiter zunehmenden Verbindungsminuten mittlerweile einen Anteil von knapp 40 Prozent für sich gewinnen“, so Prof. Gerpott.
VATM-Präsident: „Jetzt müssen den Worten Taten folgen“
VATM-Präsident Martin Witt bezog heute bei der Vorstellung der 21. TK-Marktstudie wie folgt Stellung: „2019 ist ein ereignisreiches Jahr für den Markt: Es gab den Merger von Vodafone und Unitymedia, die 5G-Frequenzen wurden versteigert und mit 1&1 Drillisch ist ein neuer und damit ein vierter Netzbetreiber in den Mobilfunkmarkt eingestiegen. In der Politik wurde ein völlig neuer europäischer Rechtsrahmen geschaffen, der aktuell hierzulande in das Telekommunikationsgesetz umzusetzen ist.“ Auch die Studienergebnisse hätten gezeigt, dass der Markt selten so spannend war – für Investoren, Unternehmen, Politik, aber auch v. a. für die Bürger. „Der Wettbewerb ist weiterhin der absolute Treiber“, betonte Witt. Die Deutsche Telekom habe jetzt die Riesenchance, ihre Rolle im sich verändernden Markt neu zu definieren – weg vom Vectoring-Spieler zum fairen Partner und FTTB/H-Ausbauer.
Die Bedeutung der Branche und des Gigabit-Ausbaus für Deutschland und seine Wirtschaft sei unumstritten. „Die Zahlen zeigen beim Gigabit-Ausbau deutliche Fortschritte, es wird mehr investiert. Aber wir müssen noch mehr aufs Gaspedal treten“, so Witt: „Für die Beschleunigung des Ausbaus und der Digitalisierung brauchen wir in Deutschland die richtigen politischen Rahmenbedingungen: Wir müssen weg von der Ankündigungspolitik und hin zur Umsetzung.“ Es gebe gute Ansätze wie den Mobilfunkvertrag zwischen dem Bundesverkehrsministerium und den vier Netzbetreibern für eine 99-Prozent-Abdeckung der Haushalte mit LTE bis 2020, die Ankündigung im 5-Punkte-Plan des gleichen Ministeriums, Liegenschaften des Bundes, der Länder und Kommunen für den Mobilfunk-Ausbau zur Verfügung zu stellen und Kooperationen zwischen den Anbietern zu unterstützen. „Die Bereitstellung öffentlicher Liegenschaften bei der schwierigen Suche nach geeigneten Antennenstandorten ist ein unverzichtbares Erfordernis für einen erfolgreichen Mobilfunkausbau und um Deutschland zum 5G-Leitmarkt machen zu können. Hier müssen – und nicht nur hier – den Worten endlich Taten folgen.“
Das gelte auch für die Vereinfachung und Entbürokratisierung von Genehmigungsverfahren. Witt: „Die Bürokratie ist ein echtes Hemmnis beim Ausbau. Genehmigungen dauern viel zu lang. Hier kommt u. a. der Standardisierung und der vollständigen digitalen Antragstellung eine wichtige Rolle zu.“ Bei der Gleichbehandlung alternativer im Ausland und hier bewährter Verlegetechniken – wie etwa Micro- und Mini-Trenching oder die Nutzung von Oberleitungen – müsse es ebenfalls dringend Bewegung geben. „Gemeinsam mit Politik und Verwaltung müssen wir hier für mehr Akzeptanz sorgen“, fordert der VATM-Präsident. Mit dem klassischen Tiefbau könne das Ausbauziel 2025 nicht erreicht werden.
Glasfaser-Gutscheine für Bürger laut Gutachten absolut sinnvoll
Zudem spricht sich der Verband weiterhin stark für die Einführung von Glasfaser-Gutscheinen (Vouchern) aus. „Das wäre ein neuer mutiger Schritt der Politik. Das Gutachten von ZEW und Juconomy[2] hat bestätigt, dass Voucher ökonomisch sinnvoll sind und den Glasfaserausbau ankurbeln würden“, unterstrich Witt. Außerhalb der Ballungsgebiete und schon mit Gigabit versorgten Gebiete gäbe es Anschluss-Voucher (500 Euro), Inhouse-Verkabelungs-Voucher (150 Euro pro Wohneinheit) und Vertragsabschluss-Voucher (500 Euro), so das Konzept.
Die Mitteilung II zu den einzelnen Ergebnissen der Studie finden Sie HIER.
Die Marktstudie finden Sie HIER.
Sie konnten bei der Vorstellung der Marktstudie nicht dabei sein oder möchten etwas nachhören? HIER steht Ihnen die Aufzeichnung als Video on Demand zur Verfügung.
Prof. Dr. Torsten J. Gerpott ist wissenschaftlicher Beirat des Beratungsunternehmens DIALOG CONSULT GmbH und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Technologieplanung mit dem Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
Martin Witt, Präsident des VATM e. V., Vorstand der Drillisch Netz AG, Vorstandsvorsitzender der 1&1 Telecommunication SE und Geschäftsführer 1&1 Drillisch online GmbH