Interview Elmar Müller

VATM: Welche Ziele, welche Aufgaben hatten damals Priorität?

 

Elmar Müller: Die Verhandlungen über die Privatisierung und Liberalisierung – genannt Post­reform II und III zu Post, Postbank und Telekom – starteten 1991. Und es waren zähe Gespräche zu Fragen, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Für mich war es nebenbei ein kleiner symbolischer Erfolg, dass die Telekom meine Anregung aufgriff, ihren Kunden künftig ein Auftrags- anstelle eines Antragsformulars für einen Telefonanschluss auszuhändigen.

Ohne Zweifel war eine der schwierigsten Aufgaben, die die Politik stemmen musste, die Forderung der mächtigen Postgewerkschaft (90 Prozent Organisationsgrad), die um den Erhalt der finanziellen Standards der rund 500.000 Bediensteten kämpfte. Ich habe um Einsicht in die geltenden Lohnrichtlinien gebeten und ein Buch von 470 Seiten über „Zulagen für Angehörige des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes“ „m. d. B. um Rückgabe“ erhalten. Diese ist meine unverzichtbare Erinnerung und ein unanfechtbarer Beleg für die dringliche Notwendigkeit der Reform.

 

VATM: Was waren zentrale Faktoren für den Erfolg? Was hat man nicht vorhersehen können?

 

Elmar Müller: Den Fortschritt zu gestalten, ist die Aufgabe aller kreativen Köpfe. Kernaufgabe der Politik ist es jedoch, der Zukunft eine Chance zu geben. Dafür die richtigen Grundlagen zu stellen, das ist uns damals gelungen. Dass ein Telekommunikationsgesetz (TKG) in seiner Fassung von 1996 zwischenzeitlich mehrmals angepasst werden musste, zeigt mir, dass unsere damalige Vision – und nicht nur unsere – sich keine Szene vorstellen konnte, die dem heutigen digitalen Entwicklungspotenzial entspräche.

 

VATM: Damals haben Sie die richtigen Grundlagen gestellt, damit sich eine junge Branche mit enormer Dynamik entwickeln konnte. Wo stehen wir heute in Deutschland?

 

Elmar Müller: Bereits 1998 haben mein SPD-Kollege Hans Martin Bury und ich als Sprecher unserer Fraktionen im Post- und TK-Bereich ein künftiges Netzministerium in die Diskussion gebracht. Seit 2021 gibt es endlich ein Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Dennoch sind die Zuständigkeiten für die Digitalisierung nicht hier gebündelt, sondern nach wie vor auf verschiedene Ministerien wie Innen, Wirtschaft, Finanzen und Justiz verteilt.

Wenig zufriedenstellend ist auch der Stand im Bereich E-Government. Zentrale Ziele des Onlinezugangsgesetzes wurden bis 2023 nicht erreicht. Zwar kommt der Glasfaserausbau in Deutschland dank großem Engagement der Wettbewerber voran. Von einem Spitzenplatz in Europa sind wir aber noch weit entfernt. Die Vergangenheit zeigt, dass der Weg dorthin methodisch am besten und schnellsten im privatwirtschaftlichen Wettbewerb geschehen kann. Ein anderer, monopolfördernder Weg hieße, einen Walfisch auf dem Balkon grillen zu wollen.

Elmar Müller

Sprecher für Post und Telekommunikation der CDU-Bundestagsfraktion von 1990 bis 2002 sowie deren Verhandlungsführer für die Privatisierung und Liberalisierung der beiden Monopolunternehmen. Parallel dazu war Müller alternierender Vorsitzender des Beirates der Bonner Regulierungsbehörde bzw. Bundesnetzagentur (BNetzA).