13 Jul Bundesregierung beschließt erste Gigabitstrategie – VATM-Präsident Zimmer: „Wir müssen jetzt dringend in die Umsetzung kommen“
Viel liegt in den Händen der Länder und Kommunen
Geplante Gigabitförderung verzögert und verteuert Glasfaserausbau
Berlin, 13. Juli 2022. Erstmals hat die Bundesregierung eine Gigabitstrategie und damit einen Fahrplan für den weiteren Gigabit- und Glasfaserausbau beschlossen. „Das war dringend erforderlich und ist ein wichtiger Schritt. Der Ausbau ist für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft alternativlos. Wir brauchen dringend die richtigen Rahmenbedingungen“, sagt VATM-Präsident David Zimmer. Aus Sicht des Verbandes gibt es einige positive Elemente. Dazu gehören wichtige Maßnahmen, die die Branche seit langem fordert, wie u. a. die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, der verstärkte Einsatz moderner Verlegemethoden und deren Normierung per DIN, die Prüfung einer Voucher-Lösung zur Stärkung der Nachfrage oder für die Inhouse-Gigabiterschließung für schlecht versorgte Anschlüsse und neu ein sinnvoller Austausch von Planungsdaten durch das Gigabit-Grundbuch.
Punkte wie zahlreiche Vorhaben im Baurecht, eine deutlich zügigere Genehmigungspraxis und die vermehrte Nutzung moderner Verlegemethoden liegen dabei in der Umsetzungskompetenz von Ländern und Kommunen. Das darf sich nun nicht als Hemmschuh für den Glasfaserausbau erweisen. Die Branche erwartet daher schnellstmöglich konkrete Umsetzungsschritte in der Praxis. „Die Gigabitstrategie des Bundes darf nicht nur ein bloßes Lippenbekenntnis bleiben. Wir müssen dringend ins Machen kommen. Es liegen viele Vorschläge seit langer Zeit auf dem Tisch“, unterstreicht Zimmer.
Kritisch bewertet der VATM die Ausgestaltung der zukünftigen Gigabitförderung. Zwar konnte von einem geförderten Überbau gigabitfähiger Infrastrukturen abgesehen werden. Dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ist es aber nicht gelungen, ein Förderkonzept zu entwickeln, das eigenwirtschaftlichen und geförderten Ausbau sinnvoll miteinander verzahnt, um einer Verdrängung der geplanten privaten Investitionen von mehr als 50 Milliarden Euro vorzubeugen. So können die ambitionierten Versorgungsziele in der Gigabitstrategie aus Sicht des VATM nicht erreicht werden. Im Kompromiss zwischen Bund und Ländern zum neuen Förderkonzept wird es keine verbindliche Priorisierung der Förderung auf Gebiete ohne eigenwirtschaftliches Ausbaupotenzial geben. Vorgesehen ist lediglich die nachträgliche Überprüfung, ob der geförderte den eigenwirtschaftlichen Ausbau verdrängt. „Dieses unstrukturierte Vorgehen wird den Ausbau verzögern und zulasten der Steuerzahler:innen verteuern“, so VATM-Präsident Zimmer.
Die Kriterien, wann „ein gebotenes Maß der Förderung“ überschritten ist, sind zudem nicht Teil der Gigabitstrategie, sondern sollen erst im Laufe der Evaluierung des Förderprogramms festgelegt werden. Die Spielregeln können aber nicht erst während des Spiels aufgestellt werden. Stattdessen müssen vor dem Start des neuen Förderprogramms „rote Linien“ definiert werden, wie eine maximale Zahl von 100.000 förderfähigen Adressen, die pro Monat bundesweit in Markterkundungsverfahren gebracht werden dürfen. Die Branche hatte u. a. zu den Themen Potenzialanalyse und Evaluierung wie zu vielen weiteren Punkten Vorschläge unterbreitet. Die Bundesregierung ist nun auch hier gefordert, ein Monitoring des Förderprogramms schnellstmöglich praktikabel und wirksam umzusetzen.
Im Bereich Mobilfunk ist der VATM darüber enttäuscht, dass die Gigabitstrategie konzeptionell bei der Frequenz-Thematik weit hinter den Möglichkeiten bleibt und keinen Weitblick und Gestaltungswillen erkennen lässt.
Auch im Bereich der Regulierung ist es dringend erforderlich, die Hebel für einen erfolgreichen Ausbau und Wettbewerb in die richtige Richtung zu bewegen. „So muss für TK-Infrastrukturen Klarheit geschaffen werden, dass bei fairem und wettbewerbskonformen Open Access eine Mitnutzung und Mitverlegung nicht erzwungen werden können“, betont VATM-Präsident Zimmer. „Wir stehen für Dienste- und Infrastrukturwettbewerb, aber einem rein strategischen Überbau bestehender Netze muss eine klare Absage erteilt werden.“
Völlig zu Recht thematisiert die Gigabitstrategie eine umsichtige und schlüssige Gestaltung des Migrationsprozesses von Kupfer auf Glas und damit wettbewerbssichernde Regulierung in Anbetracht einer weiterhin starken Telekom. Eine effektive Zugangsregulierung und Missbrauchsaufsicht haben den Wettbewerb in Deutschland überhaupt erst ermöglicht. Diese gilt es, in Anbetracht neuer Herausforderungen beim Glasfaserausbau fortzuentwickeln. Das Durchbrechen und Verhindern von Marktmacht darf keinesfalls aus dem Fokus rücken und muss ebenso eine Säule der Gigabitstrategie sein.
Daher gilt es, vorhandene Hürden sowohl aus Endkundensicht als insbesondere auch aus Sicht von Vorleistungsnachfragern, die bisher vor allem kupferbasierte Produkte auf dem Netz der Telekom nachfragen, zu beseitigen und regulatorische Regeln festzulegen, die diesen Transformationsprozess begleiten. Ziel muss es sein, dass die Bürger:innen, Unternehmen und sozioökonomischen Einrichtungen schnellstmöglich mit nachhaltigen, leistungsfähigen und zukunftsträchtigen Gigabit-Anschlüssen versorgt werden. „Von einem Wettbewerb auf den Netzen profitieren letztlich auch die Verbraucher:innen und die deutsche Wirtschaft, denn neben dem Investitionswettbewerb treibt auch der Dienstewettbewerb die Digitalisierung voran“, unterstreicht Zimmer.
Der VATM begrüßt, dass das BMDV bei der Umsetzung der Gigabitstrategie eng mit allen Akteuren im Gespräch bleiben möchte. Ein immer wieder formuliertes Anliegen der Branche war und ist es, ein gemeinsames Austauschformat von Bund, Ländern, Kommunen und Telekommunikationsbranche einzurichten, um gemeinsam für bestmögliche Ausbaubedingungen zu sorgen. Die Etablierung eines regelmäßigen Dialogs aller relevanten Akteure wäre ein positives Signal, dass das Infrastrukturprojekt Glasfaserausbau im engen Schulterschluss erreicht werden soll.