07 Nov Intensive Diskussion um die Zukunft der Regulierung in Deutschland – Breitbandpolitik ist Wachstumspolitik
Erster Diskurs im Kranhaus von BUGLAS und VATM
Köln, 04.11.2016. Lebhaft und durchaus kontrovers waren die beiden Paneldiskussionen über den richtigen Weg zur Gigabit-Gesellschaft beim ersten Diskurs im Kölner Kranhaus, zu dem die beiden Branchenverbände BUGLAS und VATM am Mittwochnachmittag geladen hatten. Vertreter aus Wissenschaft, Politik und der TK-Branche debattierten mit dem Moderator, Werner Lauff, und rund 70 Gästen in den Räumen der renommierten Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle, über hochaktuelle und zentrale Weichenstellungen für einen zukunftsfähigen Breitbandausbau in Deutschland.
Die erste Panelrunde zur Situation in Deutschland eröffnete Dr. Iris Henseler-Unger, Direktorin und Geschäftsführerin des Wissenschaftlichen Instituts für Kommunikation (WIK), mit einer Analyse der wichtigsten Schritte hin zu den Glasfasernetzen der Zukunft. Breitbandpolitik, so unterstrich Henseler-Unger, ist heute eindeutig Industrie-, Innovations- und Wachstumspolitik.
Auf die Gefahren einer verfehlten Breitbandstrategie wies in der anschließenden Diskussion VATM-Präsident und Vorstandsvorsitzender der 1&1 Telecommunication SE, Martin Witt, eindeutig hin. Wenn man nur Rinnsale anbiete, könne sich keine Nachfrage entwickeln, so Witt. Vor allem der Mittelstand und die Menschen in ländlichen Regionen bräuchten so schnell wie möglich leistungsfähige Gigabit-Infrastrukturen, sonst drohe in vielen Regionen eine Landflucht. Der VATM-Präsident hob hervor, dass es gerade die Wettbewerber seien, die hier ausbauten. Er riet dringend dazu, künftig ausschließlich Hochgeschwindigkeitsnetze zu fördern.
Der Präsident des BUGLAS und Geschäftsführer wilhelm.tel, Theo Weirich, stellte auf die herausragende Bedeutung ortsunabhängiger Konnektivität für die Gigabitgesellschaft ab. Dafür seien echte Glasfasernetze als Basis-Infrastruktur die unabdingbare Voraussetzung. Der BUGLAS-Präsident kritisierte in diesem Zusammenhang vor allem die Volatilität bei der Regulierung. Diese sei gerade für Investoren ein echtes Problem. Weirich plädierte dafür, den Schritt zu mehr Kooperation mit Wettbewerbern zu wagen.
Ministerialrat Dr. Peter Knauth vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wies darauf hin, dass Digitalisierung in den Unternehmen und in der Gesellschaft richtig ankommen müsse. Dabei gehe es nicht nur um den reinen Internetzugang, entscheidend seien vielmehr die angebotenen Dienste, die den eigentlichen Mehrwert für die Nutzer ausmachten. Dazu gehörten medizinische Hilfsangebote für ältere Menschen ebenso wie Bildungsangebote. Knauth riet dringend dazu, die gemeinsame Diskussion zu intensivieren – unter anderem im Rahmen des „Fachdialogs Ordnungsrahmen für die Digitale Wirtschaft“, den das Bundeswirtschaftsministerium bereits angestoßen habe.
Wie Dr. Knauth riet auch Prof. Dr. Thomas Fetzer, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Regulierungsrecht und Steuerrecht der Universität Mannheim und wissenschaftlicher Leiter des Fachdialogs, dazu, den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen, die nach dem neuen Kommissionsentwurf die Leistungsfähigkeit von Glasfasernetzen haben müssen, als Ziel klar zu definieren. Dabei könne die Bedeutung von Konnektivität nicht überschätzt werden, die eine Gigabit-Gesellschaft erst möglich mache.
Wie wichtig eine solche Zielsetzung ist, hob auch Dr. Henseler-Unger hervor: „Wenn das Ziel Glasfaserausbau bereits frühzeitig definiert worden wäre, hätte die BNetzA beim Vectoring-II-Antrag der Telekom sicherlich eine andere Abwägung vornehmen können.“
Deutliche Kritik an der bisherigen Breitbandpolitik kam aus den Reihen des Publikums. So bezeichnete Anke Domscheit-Berg, ViaEuropa Deutschland GmbH, Vectoring als „Braunkohle“ des Infrastrukturausbaus. Ebenso wie man inzwischen in der Energiepolitik auf deren Ausbau verzichte, dürfe man auch beim Breitbandausbau keinen Euro mehr in Vectoring investieren und sollte sich schnellstens davon trennen.
Eine „verschenkte Legislaturperiode für Deutschland“
Ganz im Zeichen des angelaufenen TK-Reviews in Brüssel und der künftigen europäischen Breitband-Entwicklung stand das zweite Panel des Nachmittags. Clark Parsons, Geschäftsführer der Internet Economy Foundation (IE.F), stellte in seinem Impulsstatement die Studie des IE.F „Europe’s Next Generation Networks: The Essential Role of Pro-Competitive Access Regulation“ vor und betonte, dass Europa eine Zugangsregulierung brauche, die Investitionen sicherstelle. Deutschland spiele in der Breitband-Tabelle nicht einmal auf einem Relegationsplatz, bedauerte Parsons.
Auf das Entwicklungspotenzial Deutschlands beim FTTH/B-Ausbau im internationalen und europäischen Vergleich wies auch die Direktorin des FTTH-Council Europe, Erzsébet Fitori, hin. Gerade das TK-Review der europäischen Kommission sei daher eine gute Gelegenheit in Deutschland zu prüfen, ob man die Ziele des Breitbandausbaus nicht revidieren müsse. Klare Infrastrukturziele und ein Rechtsrahmen, der den notwendigen Ausbau ermöglicht, seien dringend erforderlich.
Dr. Beate Rickert, Geschäftsführerin von KPR Capital, plädierte ebenfalls für eine Revision der jetzigen Politik und sprach von einer Zweiklassengesellschaft hinsichtlich der Förderinfrastruktur. Kreative Lösungen für den Breitbandausbau auf dem Land stießen längst an ihre Grenzen, sagte sie. VDSL führe schon heute dazu, dass vielerorts FTTH/B-Anschlüsse für Geschäftskunden fehlten.
„Was den Gigabit-Ausbau in Deutschland betrifft“, bedauerte Dr. Karl-Heinz Neumann, wissenschaftlicher Berater und ehemaliger Direktor des WIK, „war es eine verschenkte Legislaturperiode“.
David Zimmer, Geschäftsführer der inexio KGaA, betonte, dass die größten Probleme der Unternehmen aus politischen Unwägbarkeiten entstünden. „Sprunghaftigkeit ist der Tod des Glasfaserausbaus“, warnte Zimmer. Gerade Investoren benötigen Rahmenbedingungen, die Planungsgarantie für mindestens 20 Jahre bieten. Auch müsse die eigentliche Rolle der BNetzA endlich klar definiert werden. „Ist sie nun Schiedsrichter oder Mitspieler?“, fragte der Geschäftsführer.
Mehr Investitionen, verlässliche Rahmenbedingungen, ein einziges zuständiges Digitalministerium, klare Infrastrukturziele für Europa, so lautete das Fazit der Teilnehmer dieser zweiten Panelrunde beim Diskurs im Kranhaus. Schließlich gehe es nicht nur um die Telekommunikationsbranche, sondern um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft Deutschlands.
Der Diskurs im Kranhaus fand mit freundlicher Unterstützung vom CMS Hasche Sigle, BPM&O und FF-Net statt.