21 Jun Pressemitteilung von BREKO, BUGLAS, VATM: Neuer Vectoring-II-Beschluss: Kosmetische Veränderungen bringen echten Glasfaserausbau nicht voran
Bundesnetzagentur brüskiert ausbauwillige Wettbewerber
Erhebliche Investitionszusagen der alternativen Netzbetreiber werden auch weiterhin nicht berücksichtigt
Berlin, 21. Juni 2016. Die führenden deutschen Telekommunikationsverbände BREKO, BUGLAS und VATM zeigen sich empört über den neuen Beschlussentwurf der Bundesnetzagentur (BNetzA) zum Einsatz von VDSL2-Vectoring in den Nahbereichen rund um die bundesweit gut 7.900 Hauptverteiler (HVt). Die Bundesnetzagentur hat am 20. Juni einen neuen Entscheidungsentwurf an die EU-Kommission übermittelt. Ihren vorherigen, im April veröffentlichten Entwurf, hatte sie offenbar aus taktischen Überlegungen noch vor einer Stellungnahme des BEREC zurückgezogen, um die EU-Kommission durch die Neuvorlage nun unter massiven politischen Druck zu setzen.
„Offenbar geht man im Bonner Tulpenfeld davon aus, dass die EU-Kommission nicht erneut ‚erhebliche Bedenken‘ äußern und damit ein weiteres Phase-II-Verfahren einleiten wird“, kommentieren BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers, BUGLAS-Geschäftsführer Wolfgang Heer und VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner den zweifelhaften Vorgang.
„Die Bundesnetzagentur hat die insbesondere von Seiten der EU-Kommission sowie von unabhängigen Wissenschaftlern und Institutionen geäußerte Kritik nicht zum Anlass genommen, im nun bereits zweiten Anlauf einen Beschluss zu präsentieren, der allen deutschen Netzbetreibern faire und diskriminierungsfreie Ausbauchancen einräumt“, so die drei Verbandsgeschäftsführer.
Der von der Bundesnetzagentur nun vorgelegte, neue Regulierungsentwurf wurde an die EU-Kommission übermittelt, ohne den betroffenen Marktteilnehmern noch einmal die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Die deutsche Regulierungsbehörde hat ihren geplanten Beschluss allerdings nur geringfügig verändert, für die Wettbewerber in bestimmten Punkten aber dennoch verschlechtert.
„Die leichte Absenkung der im ersten Entwurf vorgesehenen Mehrheitsregelung – hier musste ein alternativer Netzbetreiber in jedem Fall mindestens 50 Prozent aller ‚grauen Kästen‘ am Straßenrand und insgesamt mehr Kabelverzweiger als die Deutsche Telekom erschlossen haben – auf nunmehr mindestens 40 Prozent wäre zwar isoliert betrachtet eine geringe Verbesserung“, erläutern die drei Geschäftsführer. „Allerdings muss ein ausbauwilliger Wettbewerber nun auch mindestens 33 Prozent mehr Kabelverzweiger erschlossen haben als die Telekom, was die Schwelle in vielen Fällen weit über 40 und auch mehr als 50 Prozent heben dürfte.“ Diese neue Regelung erhöht zudem die Komplexität und das Risiko für die Investoren.
Der von der Bundesnetzagentur im November 2015 vorgelegte Konsultationsentwurf sah noch vor, dass Wettbewerber, die in einem Nahbereich mehr Kabelverzweiger erschlossen haben als die Deutsche Telekom (relative Mehrheit), dort selbst eine Erschließung mit Vectoring vornehmen und so den Exklusivitätsanspruch hätten abwehren können. Dieses Kriterium wurde durch die neue Vorgabe der absoluten Mehrheit erst mit Vorlage des finalen, ersten Beschlusses erheblich verschärft.
Entgegen der klaren Zusage von BNetzA-Präsident Jochen Homann, der in seiner Pressemitteilung vom 16. Juni erklärte, man werde mit dem neuen Beschlussentwurf „allen ausbauwilligen Unternehmen grünes Licht für ihre Investitionen in den Breitbandausbau geben“, ist nun genau dies – entgegen Homanns Zusage – auch weiterhin nicht möglich: Denn die von den Wettbewerbern angebotenen, teils erheblichen und regional flächendeckenden Ausbauzusagen sind auch im neuen Entwurf nicht berücksichtigt worden. „Nun fragen wir uns ernsthaft, wie wir die von Herrn Homann eingeforderte Zusage für unsere Ausbau- und Investitionsangebote verbindlich machen sollen“, wundern sich Albers, Grützner und Heer.
Die nun vorgenommenen Anpassungen der Bundesnetzagentur seien rein „kosmetischer Art“ und verbesserten in der Praxis die Ausbaumöglichkeiten für den Wettbewerb allenfalls geringfügig. Ebenso werde auch weiterhin der für die kommende Gigabit-Gesellschaft so wichtige Ausbau mit hochmoderner Glasfaser bis direkt ins Gebäude oder die Wohnung (FTTB / FTTH) in den betroffenen Gebieten praktisch unmöglich, da dieser echte Glasfaserausbau ohne den Einbezug der in der Regel dichter besiedelten Nahbereiche vielfach nicht rentabel realisierbar sei. Dies ändere sich auch nicht durch den nun vorgesehenen, aber auf die Dauer von zwei Jahren beschränkten Zugang zu unbeschalteter Glasfaser („Darkfibre“) oder alternativ zu Leerrohren der Deutschen Telekom. Dieser soll zudem nur vom Hauptverteiler bis zum Kabelverzweiger, aber nicht für die Strecke vom Kabelverzweiger bis zum Endkunden angeboten und darf auch nicht zum weiteren Ausbau mit FTTB / FTTH – etwa zum Anschluss von Gewerbebetrieben – genutzt werden. Außerdem sieht der nun vorgelegte Entwurf weiterhin kein Überbau-Verbot von FTTB-/FTTH- und HFC-Infrastrukturen vor, sondern verpflichtet im Gegenteil die Telekom dazu, in den Nahbereichen vorhandene, leistungsfähigere Netze mit Vectoring zu überbauen.
Die Geschäftsführer der drei Verbände ziehen ein düsteres Fazit und setzen auf die erneute Intervention der EU-Kommission: „Das Ergebnis bleibt auch bei diesem Entwurf das gleiche: ein weitgehendes Infrastruktur-Monopol für die Deutsche Telekom in den HVt-Nahbereichen. Die Folgen für den ländlichen Raum werden fatal sein. Daher erwarten wir von EU-Kommissar Günther Oettinger, sich dem durch das Vorgehen der Bundesnetzagentur erzeugten Druck nicht zu beugen und seine erheblichen Bedenken erneut in einem Phase-II-Verfahren münden zu lassen.“
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