18 Okt VATM und Dialog Consult stellen Studie zum deutschen Telekommunikationsmarkt 2016 vor
• Gesamtumsatz der TK-Dienste steigt leicht
• Wettbewerber tragen 52 Prozent der Investitionen
• Zahl der FTTB/H-Anschlüsse steigt auf 2,7 Millionen – 90 Prozent der
genutzten echten Glasfaseranschlüsse werden von Wettbewerbern
bereitgestellt – Alternative Anbieter sind Treiber des FTTB/H-
Ausbaus
• Datenvolumen in Festnetz und Mobilfunk steigen weiter deutlich
• Deutschland telefoniert weniger – OTT-Messaging nimmt zu
• VATM: Klare Forderungen an die Politik
Berlin, 19. Oktober 2016. Der Gesamtumsatz mit Telekommunikationsdiensten in Deutschland wird 2016 voraussichtlich mit 60,5 Milliarden Euro leicht steigen (+ 0,5 Milliarden Euro). Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 0,8 Prozent. „Im dritten Jahr in Folge legt Telekom Deutschland 2016 im Festnetzbereich zu – dieses Jahr jedoch deutlich um 0,6 Milliarden Euro. Offensichtlich führt unter anderem Vectoring dazu, dass die Telekom auf Kosten der alternativen Anbieter umsatzbezogene Marktanteile zurückgewinnt“, sagte Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, Gesellschafter der Unternehmensberatung DIALOG CONSULT GmbH und Inhaber des Lehrstuhls für TK-Wirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. Der TK-Experte stellte heute die Ergebnisse der 18. gemeinsamen TK-Marktstudie von DIALOG CONSULT und VATM in Berlin vor.
Während die Telekom ihre Festnetzumsätze von 2013 bis 2016 um 1 Milliarde Euro steigern kann, verlieren die TK-Wettbewerber im gleichen Zeitraum hier 1,3 Milliarden Euro Umsatz. Die Situation wird sich für den Wettbewerb voraussichtlich weiter verschärfen. „In den Fällen, in denen alternative Anbieter aufgrund des Einsatzes der Vectoring-Technologie durch die Telekom zum Umstieg auf Bitstrom[1]-Angebote gezwungen werden, nimmt die Abhängigkeit von der Telekom zu und die Wertschöpfung der Konkurrenten ab“, erläutert Prof. Gerpott. Die TK-Wettbewerber müssen beim Einstiegsangebot basierend auf dem Zugang zur entbündelten Teilnehmeranschlussleitung (TAL), der sog. letzten Meile zum Kunden, für Internet-Zugänge bereits über die Hälfte des Umsatzes an die Telekom als Mietpreis weiterleiten. Diese Quote würde bei Zugängen auf Basis eines virtuellen Bitstrom-Zugangs, wie ihn derzeit die Bundesnetzagentur (BNetzA) vorsieht, auf bis zu 83 Prozent steigen. Die Telekom baut bereits 2016 ihr Geschäft mit anderen Carriern aus. Die Großhandelsquote hat seit 2013 von 22,5 auf 25,7 Prozent zugenommen – damit generiert der Ex-Monopolist ein Viertel seines Festnetzumsatzes durch Vorleistungsprodukte mit Wettbewerberunternehmen.
Einen Anstieg der Festnetzumsätze von 5,2 auf 5,4 Milliarden Euro (+ 3,8 Prozent) verzeichnen die Kabelnetzbetreiber, während die TK-Wettbewerber 0,2 Milliarden Euro Umsatz weniger verbuchen als im Vorjahr (- 1,4 Prozent). Der Umsatz im Mobilfunkbereich wird leicht um rund 0,1 Milliarden Euro auf 26,4 Milliarden Euro zurückgehen (-0,4 Prozent). Der leichte Rückgang habe mehrere Ursachen, erläuterte Studienautor Prof. Gerpott: Preissenkungen, Tarifoptimierungen der Kunden, Roaming-Umsatzrückgänge und Rückgänge bei den Terminierungsentgelten. Im Mobilfunkbereich erzielen die Wettbewerber einen Umsatz von insgesamt 18,4 Milliarden Euro (+ 0,1 Milliarde Euro), die Telekom von 8,0 Milliarden Euro (- 0,2 Milliarden Euro). Für 2017 rechnet der TK-Experte für den Gesamtmarkt mit einem erneuten Umsatzanstieg im Bereich von 1,5 bis 3,0 Prozent.
Die Investitionen in Sachanlagen steigen dieses Jahr erneut um 0,1 Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden Euro – das ist der höchste Wert seit 2002. Allerdings nehmen die Investitionen nicht mehr so deutlich zu wie in den Vorjahren (2014: + 1 Milliarde Euro; 2015: + 0,6 Milliarden Euro). Die Wettbewerber tragen mit 4,2 Milliarden Euro weiterhin mehr als die Hälfte (51,9 Prozent) des Investments. Seit der Marktliberalisierung haben sie in Deutschland 70,7 Milliarden Euro investiert, die Telekom 64,7 Milliarden Euro.
Die Zahl der Festnetz-Breitbandanschlüsse steigt in diesem Jahr erneut: Sie nimmt um rund 0,5 Millionen auf 31,2 Millionen zu (+ 1,6 Prozent). Etwa 2,7 Millionen Haushalte (+ 590.000) werden in Deutschland Ende 2016 an Glasfasernetze mindestens bis zum Gebäudekeller (FTTB/FTTH) angeschlossen sein – ein Viertel mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Haushalte, die diesen Anschluss auch buchen, legt im Vergleich zum Vorjahr um 34 Prozent auf 791.000 zu. Neun von zehn Haushalten, die Ende 2016 einem FTTB/H-Anschluss nutzen, beziehen diese nicht von der Telekom, sondern von einem alternativen Carrier. Die Wettbewerber bauen mehr als drei Viertel der Glasfaseranschlüsse bis zum Gebäude (FTTB) oder in die Wohnung (FTTH) in Deutschland. Sie sind eindeutig die Treiber des zukunftsfähigen und nachhaltigen Glasfaserausbaus bis zum Gebäude oder Endkunden.
Es wird in Deutschland immer mehr im Netz gesurft, online recherchiert: Das Gesamtdatenvolumen des Breitband-Internetverkehrs im Festnetz wird um ein Fünftel auf 13,8 Milliarden Gigabyte steigen. Das aus Mobilfunknetzenabgehende Gesamtdatenübertragungsvolumen steigt laut Schätzung um 31 Prozent auf 774 Millionen Gigabyte. 2016 werden die Datendienste 44,7 Prozent (+ 4,7 Prozent) der Mobilfunk-Umsätze ausmachen.
Seit 2012 telefonieren die Nutzer in Deutschland weniger – 2016 sind es insgesamt 940 Millionen Minuten täglich (- 7 Millionen Minuten pro Tag). Erstmals wird in diesem Jahr weniger via Mobilfunk gesprochen als im Vorjahr (- 9 Millionen Minuten täglich). Software-basierte OTT-Telefonie-Anwendungen, wie u. a. Skype, gewinnen insgesamt weiter an Bedeutung (+ 8,2 Prozent; 2016: 250 Millionen Minuten täglich). Trotz des Vordringens dieser OTT-Telefonie können sinkende Verbindungsminuten aus Festnetzen um 17 Millionen Minuten täglich und abnehmender Sprachverkehr aus Mobilfunknetzen nicht ausgeglichen werden – offensichtlich ersetzen mittlerweile andere Kommunikationsformen die Sprachtelefonie.
VATM: Wettbewerbslage wird immer kritischer
VATM-Präsident Martin Witt bewertete die Situation in der Branche: „Die Ergebnisse der Marktstudie zeigen aus unserer Sicht: Die Wettbewerbslage auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt wird immer kritischer.“ Dieses Jahr seien durch die Entscheidung der Bundesnetzagentur für ein Quasi-Monopol der Telekom bei Vectoring im Nahbereich der Hauptverteiler die Weichen falsch gestellt worden. „Aktuelle Entwicklungen wie die Vectoring-II-Entscheidung gefährden den Wettbewerb und das Potenzial für alternative Investoren“, unterstrich Witt bei der Vorstellung der Marktstudie. Die Abhängigkeit der Wettbewerber vom Ex-Monopolisten Telekom wachse. „Der von der Bundesnetzagentur als Ersatz für die TAL deklarierte Bitstrom-Zugang ist qualitativ bei weitem nicht ausreichend und deutlich zu teuer. Der Ersatz ist in der Praxis kein Ersatz.“ Der Vorschlag der BNetzA für die Ausgestaltung der Ersatzprodukte erfüllt aus Sicht alternativer Anbieter nicht die Anforderungen der EU-Kommission, des BNetzA-Beirats, des Bundeskartellamts und des Marktes.
Mit Spannung blickt der VATM nach Brüssel. „Wir begrüßen das klare Bekenntnis der EU-Kommission zur Gigabit-Gesellschaft mit Planungshorizont bis 2025 im Entwurf für den neuen EU-Rechtsrahmen. Die Zielsetzung ist gelungen, jetzt müssen die richtigen wettbewerbsorientierten und nachhaltigen Maßnahmen zur Umsetzung gefunden werden“, sagt der Verbandspräsident. Eine Deregulierung der marktbeherrschenden Unternehmen mit gleichzeitiger Ausweitung der Regulierung auf alternative Anbieter würde zu einer weiteren Schwächung des Wettbewerbs auf dem TK-Markt führen. „Die Erfahrung zeigt: Die Telekom ist aber erst bereit zu investieren, wenn Wettbewerbsdruck sie dazu zwingt. Nur wenn wir den Wettbewerb fördern, wird von zwei Seiten und damit sicher investiert“, so Witt.
Der VATM-Präsident unterstreicht: „Datenmengen und Qualitätsanforderungen für die Breitbandinfrastruktur werden bis 2025 stark anwachsen – wir brauchen FTTB/H, Kabel mit Docsis 3.1 und die nächste Generation Mobilfunk 5G. Nach Prognosen werden dann 75 Prozent aller Haushalte Bedarf für eine Breitbandanbindung haben, die nicht auf Basis von Kupferleitungen bedient werden kann. Gesellschaft und Wirtschaft benötigen daher flächendeckend leistungsfähige Glasfasernetze bis ins Gebäude. Davon hängen die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ab.“ Die aktuellen Breitbandziele der Bundesregierung und EU-Kommission müssten erweitert werden, appelliert Witt an die Politik. „Der Anschluss aller Privathaushalte und Unternehmen – unter Einbeziehung des ländlichen Raums – an Höchstgeschwindigkeitsnetze mit einer Mindestversorgung von 1 Gbit/s bis 2025 muss als politisches Ziel definiert werden“, fordert er. Die Förder- und Regulierungspolitik muss aus Sicht des VATM schnellstmöglich klar darauf ausgerichtet werden, ohne das Breitbandziel 2018 aus dem Auge zu verlieren. Wo ein flächendeckender Glasfaserausbau Förderung benötigt, muss diese vorrangig für echte Glasfaseranschlüsse (FTTB/H) gewährt werden.
Unternehmen, die Fördermittel in Anspruch nehmen, müssen sich zu Wholebuy verpflichten, staatlich geförderter Überbau muss untersagt werden. „Eine wettbewerbsfördernde Zugangsregulierung garantiert Investitionen, Innovationen, Qualität sowie vernünftige Endverbraucherpreise. Eine solche Regulierung muss dabei auch zur Senkung der Ausbaukosten den Zugang zu mehr passiven Infrastrukturen, zum Beispiel zu ungenutzten Leerrohren der Telekom, ermöglichen“, positioniert sich der VATM-Präsident deutlich. „Einen weiteren großen Effekt auf dem Weg zur Gigabit-Gesellschaft brächte die Veräußerung der staatlichen Telekom-Aktienanteile“, so Witt: „Hierdurch würde nicht nur der Interessenkonflikt als Regulierer und gleichzeitig Eigentümer verhindert, sondern mit den Erlösen stünden gleichzeitig erhebliche Mittel für den Ausbau zukunftsfähiger Glasfasernetze bereit.“
HIER die Pressemitteilung II zu den einzelnen Ergebnissen der Studie sowie den Ausblick von DIALOG CONSULT auf 2017 einsehen.
Die komplette Marktstudie finden SIE HIER.
Statement von Martin Witt, VATM-Präsident zur Vorstellung der Marktstudie.
Prof. Dr. Torsten J. Gerpott ist Gesellschafter des Beratungsunternehmens DIALOG CONSULT GmbH und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Technologieplanung mit dem Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
Martin Witt ist Präsident des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e. V. (VATM) und Vorstandsvorsitzender der 1&1 Telecommunication SE.
Fotos von VATM-Präsident Martin Witt und Prof. Torsten J. Gerpott stehen HIER für Sie zum Download zur Verfügung. Sollten Sie eine der Marktstudien-Grafiken im druckfähigen Format wünschen, wenden Sie sich bitte an Frau Schmidt via Mail oder unter Tel. 0221/376 77 31.
Die Vorstellung der TK-Marktstudie in Berlin fand mit freundlicher Unterstützung von Vodafone Deutschland statt.