Lichtgeschwindigkeit für die Zukunft: Mit starken Vorleistungsnachfragern

Lichtgeschwindigkeit für die Zukunft: Mit starken Vorleistungsnachfragern

Ein wichtiger Punkt des Leitbildes ist die Wahlfreiheit für Endkunden zwischen einer Vielfalt von Produkten und Anbietern. Funktionierender Wettbewerb auf Infrastrukturebene begünstigt einen diskriminierungsfreien Zugang für verschiedene Vorleistungsnachfrager und damit den Wettbewerb auf der Diensteebene. Jedoch wird es nicht in allen Regionen zu Infrastrukturdopplung kommen. In Regionen mit nur einem Anbieter und ohne anderweitigen wettbewerblichen Druck ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass diese aus sich heraus vielfältige Vorleistungen zu wettbewerblichen Preisen anbieten werden.

Hier unterstützt der Yardstick-Wettbewerb, wettbewerbsähnliche Zustände herzustellen. Der Vergleich von Netzbetreibern mit regionaler Alleinstellung untereinander kann zu einer Vielfalt von Vorleistungen zu günstigeren Preisen führen, sowie weitere Innovationen fördern. Um eine hohe Netzauslastung zu erreichen, greifen viele Netzbetreiber auf das Konzept des Open Access zurück. Open Access ist nicht gesetzlich definiert, wird aber allgemein als der „freiwillig, offen und diskriminierungsfrei gewährte Netzzugang” beschrieben, über den Endnutzeranschlüsse unmittelbar erreicht werden können. Diese Open-Access-Angebote stärken den Wettbewerb und können auch als Regulierungsprävention angesehen werden.

Wenn Yardstick-Wettbewerb und Open-Access-Angebote nicht ausreichen, um wettbewerbsähnliche Zustände herzustellen, droht Regulierung. Lediglich der Einsatz der Missbrauchsaufsicht zur wettbewerblichen Kontrolle ist nicht ausreichend, da diese Alleinstellung von Dauer ist. Bei andauernder Marktmacht sollte reguliert werden – bei temporärer Marktmacht reichen die Instrumente der Missbrauchsaufsicht und sind meist auch zielführender, um einen wettbewerbsähnlichen Markt zu schaffen. Bei der Regulierung ist eine Vielzahl von Netzbetreibern von Vorteil, um das Instrument der Yardstick-Regulierung anzuwenden.

Das Ausmaß der Regulierung wird insofern auch von den geschlossenen Open-Access-Regelungen abhängen. Je mehr Open-Access-Angebote zu angemessenen Konditionen gemacht werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit, dass reguliert wird. Bei der Gestaltung der Open-Access-Angebote berücksichtigt ein Vorleistungsanbieter jedoch primär nur seine eigenen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Ausbaukosten, des Marktpreisniveaus und der Ausgestaltung des eigenen Geschäftsmodells, ungeachtet der dadurch induzierten Auswirkungen einer möglicherweise erhöhten Regulierungswahrscheinlichkeit auf andere Anbieter. Dadurch bieten Vorleistungsanbieter tendenziell weniger Open Access zu schlechteren Konditionen an.

Das Verhalten der Infrastrukturbetreiber gegenüber Vorleistungsnachfragen bedarf daher einer sorgsamen Beobachtung, um zu bewerten, inwiefern Regulierungspräventionsverhalten und Wettbewerb durch andere Technologien ausreichen, wettbewerbsähnliche Zustände zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist auch das derzeit verwendete Regulierungsregime einer „Regulierung Light“ im Glasfasermarkt kritisch zu evaluieren. Regulierung wird dann notwendig, wenn Selbstregulierung den Wettbewerb ausbremst.

Das Wettbewerbs-Leitbild 2030 sieht eine Vielzahl von (Dienste-) Anbietern vor, die ihren Kunden eine Vielzahl von Produkten anbieten. Unternehmenskunden benötigen dabei deutschlandweite Angebote, die alle ihre Betriebsstätten versorgen. Voraussetzung dafür ist ein deutschlandweiter Zugang zum Glasfasernetz für verschiedene Zugangsnachfrager.

Die Anbietervielfalt bei den Glasfasernetzbetreibern führt dabei zu Herausforderungen. Es gibt nicht ein Unternehmen, mit dem ein nationaler Zugang auszuhandeln wäre, sondern viele. So muss ein Vorleistungsnachfrager, der in einer Vielzahl von Regionen Produkte anbieten will, um zum Beispiel einen Geschäftskunden mit vielen Niederlassungen bundesweit zu bedienen, mit vielen verschiedenen Netzbetreibern Netzzugang aushandeln. Dabei müssen die Vorleistungsprodukte ähnlich ausgestaltet sein, sodass der Zugangsnachfrager bundesweit ein homogenes Produkt anbieten kann.

Dabei kann es zu einem Effekt kommen, der in anderem Zusammenhang unter dem Begriff des doppelten Preisaufschlags („double marginalization“) bekannt ist: Jeder Glasfasernetzbetreiber verlangt einzeln einen hohen Preis. In Summe können diese Preise über dem Preis liegen, den ein Netzbetreiber verlangen würde, der das gesamte Gebiet bedient. Konzeptionell kennt man den doppelten Preisaufschlag bei vertikalen Ketten; hier kann es jedoch zu mehrfachen Preisaufschlägen horizontal im Markt kommen, da der Vorleistungsnachfrager auf eine Vielzahl von Infrastrukturbetreibern angewiesen ist.

Eine Antwort auf dieses Problem aus dem Markt heraus sind Kooperationen. Diese Kooperationen sind oft auf mehrere Jahre angelegte Zugangsberechtigungen, die auf eine schnelle Auslastung der Glasfasernetze abzielen. Dabei werden Zugangs- und Entgeltabsprachen für einen bestimmten Zeitraum getroffen. Insbesondere Kooperationen, in denen Netzanbieter auch als Vorleistungsnachfrager in anderen Regionen auftreten, können so das Problem des doppelten Preisaufschlags abmindern.

Aus wettbewerblicher Perspektive und im Hinblick auf das Leitbild 2030 ist aber zu berücksichtigen, dass diese Einigung nur innerhalb der Gruppe der Kooperationspartner gilt und damit eine abschottende Wirkung haben könnte. Besonders zu benennen ist hier das Commitment-Modell, auf Basis dessen die Deutsche Telekom Vereinbarungen mit den größten Vorleistungsnachfragern 1&1, Telefónica, Vodafone und NetCologne geschlossen hat. Darin garantiert die Deutsche Telekom den anderen Unternehmen eine Nutzung ihrer Kupfer- und Glasfasernetze zu rabattierten Entgelten, während die Zugangsnachfrager bestimmte Abnahmemengen garantieren. Die Vertragslaufzeit beträgt zehn Jahre plus eine Nachlaufzeit von drei Jahren.

Die lange Laufzeit bedeutet eine hohe Nachfragebindung und entzieht weiteren Netzbetreibern große Vorleistungsnachfrager. Zudem sind sog. „Lock-in“-Effekte bei Bestandskunden nicht auszuschließen. Sie sind in ihrer bisherigen Ausgestaltung wettbewerbsschädlich und hindern das Entstehen eines dynamischen Open-Access-Umfelds.

Es ist daher darauf zu achten, dass Kooperationen sowie das Commitment-Modell wettbewerbsfreundlich ausgestaltet werden. Im Commitment-Modell würde etwa ein regionales Sonderkündigungsrecht für die Vorleistungsnachfrager gegenüber der Deutschen Telekom sicherstellen, dass diese vom Kupfernetz der Deutschen Telekom auf das Glasfasernetz eines alternativen Anbieters wechseln können, ohne dabei die vereinbarten Mindestanschlussmengen nicht mehr zu erfüllen.